Mittwoch, 13. September 2017

Kilimanjaro Tag 5

Heute ist unser grosser Tag. Na gut, es ist eigentlich noch gestern, als wir 23 Uhr geweckt werden. Eigentlich hat es das Wecken nicht gebraucht, denn mit schlafen war nix. Wir bekommen zur Stärkung ein paar Kekse und heissen Tee. Jetzt noch mal die Ausrüstung checken, alle Kleider anziehen, die wir haben und die Stöcke einstellen. Alle Kleider heisst drei Lagen an den Beinen, vier Lagen oben, die Gamaschen anlegen, Wollmütze aufsetzen und Handschuhe anziehen. Unsere Wasserflaschen haben wir vorsorglich in Socken gesteckt, damit sie uns nicht einfrieren. Ich hoffe, es hilft auch bei getragenen Socken. Die Kamera haben wir nah am Körper, damit sie uns im entscheidenden Moment nicht den Dienst versagt und für die Stirnlampen haben wir extra nochmal die Batterien ersetzt.
Wir sind parat. Punkt Mitternacht geht es los. Der Atem bildet feine Kristalle in der Luft. Es ist stockdunkel aber sternenklar.
Jetzt schlägt auch die Stunde des Guide-Assistenten. War sonst nur der Guide mit uns direkt zusammen unterwegs, begleitet auch er uns jetzt auf dem schwierigsten Stück. Es geht nun weitere 1000 Meter aufwärts. Das heisst auch, es wird noch kälter,  windiger und der Sauerstoffgehalt in der Luft nimmt weiter ab. Vor uns liegen ca. sechs Kilometer, nicht unser längste aber ganz sicher die anspruchsvollste Strecke.
Der erste Abschnitt führt uns zum Gilman's Point auf 5685 Meter. Der Weg dorthin ist eine einzige steile Fels- und Geröllwand. Man sollte meinen, dass bei der Vielzahl der Besteigungswütigen ein eingetretener Weg existieren sollte aber dem ist nicht so. Anscheinend ist das Geröll so viel in Bewegung, dass die Pfade nicht lange halten. Oder jeder Guide sucht sich einen neuen Weg. Unsere Stöcke erweisen uns einen grossen Dienst. In dem teils recht lockeren Untergrund ist es schwierig Halt zu finden. Irgendwie ist es auch ein Glück, dass wir unseren "Weg" nur mit unseren Stirnlampen beleuchten. Wenn wir jetzt schon im vollen Ausmass sehen würden, was wir auf dem Rückweg sehen, wäre das unserer Moral sicher nicht zuträglich gewesen. Noch dazu sehen wir so nicht, wie weit wir noch hoch müssen. Ist besser so. Trotz der Kälte schwitzen wir und die Nase läuft mit uns um die Wette. Man kommt mit Putzen einfach nicht mehr nach, also laufen lassen. Das Atmen wird auch immer mühsamer.
Nach ca. zwei Stunden steilen bergauf kraxeln machen wir die erste Pause. 4950 Meter meinte Salim. Waaas? Erst 250 m geschafft?  Gefühlt sind wir schon auf dem Mount Everest. Die Pause ist sehr kurz, nur einen Schluck warmen Tee trinken, einen Biss vom Energyriegel. Für Corinne wird es nun sehr hart. Sie zittert vor Erschöpfung. Salim zwingt sie, etwas zu essen und zu trinken und drängt sie weiter zu gehen, da es zu kalt ist zum Sitzenbleiben. Das einzig richtige, was er tun kann. Dafür ist er ausgebildet. Spätestens jetzt ist jedem klar, dass man sich hier ohne Guide umbringen kann. Als wir bei 5100 m ankommen, bricht ihr Kreislauf zusammen. Jetzt wird es ernst. Corinne zittert am ganzen Leibe aber Salim zieht die Prozedur wieder durch und sie geht weiter. Der Assistent nimmt ihr jetzt den Rucksack ab.
Das muss ein krasser Kampf für sie gewesen sein, denn auch ich spüre, dass meine Energie wie bei einer Batterie nachlässt. Jedes zu Seite schauen bringt mich aus dem Gleichgewicht und ich bin heilfroh um die Stöcke. Und noch immer sind es gute 600 Meter bis zum Gilman's Point. Aber aufgeben gilt nicht. Ich hätte mir auch gar nicht vorstellen können wie. Die Geröllhalde im Dunkeln wieder runter? Niemals!
Irgendwie schaffen wir es gegen halb sechs auf den Gilman's Point.


Eigentlich sind wir fix und fertig. Ich mach mir Sorgen um Corinne aber wir sind noch nicht oben. Für viele ist hier der Punkt umzukehren. Zu scheitern, wenn diese Bezeichnung denn richtig wäre. Immerhin ist man hier schon bei 5685 Metern und das Atmen fällt schon schwer. Wahrscheinlich mehr wegen der Erschöpfung aber wohl eben auch in Kombination mit dem geringeren Sauerstoffgehalt hier oben.  Für den grossen Gletscher rechts von uns haben wir nicht wirklich einen "Enjoy-Blick" übrig.
Unser Guide hat uns versprochen, uns bis ganz hoch zu bringen und zieht es auch durch. Er treibt uns weiter. Nach einer wieder sehr kurzen Pause geht es über einen Krat zum Stella Point. Unser nächstes Etappenziel in 5756 m Höhe. Auf unserer rechten Seite geht es steil abwärts in einen Krater, links steigen die Felsen noch einmal an. In einem irren Tempo hasten und stolpern wir voran. Irgendwie laufen wir automatisch. Ich bewundere Corinne, dass sie weiter zieht. Wenn ich schon auf dem Zahnfleisch gehe, muss es für sie die Hölle sein. Wir erreichen Stella Point nach etwa einer Stunde.


Die Sonne geht gerade auf, was zwar fantastisch aussieht aber für uns kein Grund zum Verweilen ist. Salim übernimmt für uns das Fotografieren. Und treibt uns weiter.  Es ist nicht mehr weit bis zum Uhuru Peak. Wir schleppen uns eine weitere halbe Stunde und unsere Beine laufen nur noch, weil sie das immer tun.






Und dann sind wir da! Wir stehen auf dem weltweit höchsten freistehendem Berg auf 5895 Metern, dem Kilimanjaro. Geschafft! Das lässt sich nicht beschreiben. Wir haben beide einen richtig fetten Klos im Hals.



Die Aussicht ist atemberaubend. Um uns herum mehrere riesige Gletscherteile, die wegen der Erderwärmung von der einstigen Eiskappe übrig sind. Und wir sind weit, seeehr weit über den Wolken. Hier oben ist jeder happy, es geschafft zu haben und man gratuliert sich gegenseitig. Menschen aus aller Welt. Das ist sehr eindrücklich.





Leider bleibt nicht sehr viel Zeit zum Geniessen und Erholen, denn der geringe Sauerstoffgehalt mahnt uns zum Abstieg. Ein paar Fotos, ein stolzer Rundblick und es geht wieder zurück. Auch hier treibt uns Salim wieder an. Er weiss, dass die Höhe gefährlich wird. Also fast im Trab zurück bis zum Gilman's Point. Hier gönnt er uns eine etwas längere Pause. So ca. 10  Minuten. Wir sind immer noch zu hoch oben.
Jetzt, wo es hell ist, sehen wir auch, was für eine Wand wir da hoch gekommen sind. Einfach irre. Und da jetzt wieder runter, so fertig wie wir schon sind. Wir steigen hinab und wieder sind unsere Stöcke extrem hilfreich. In den Geröllfeldern rutschen wir mehr als wir gehen können. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu schnell werden und stürzen. Salim kümmert sich um Corinne und Emuk hilft mir. Es ist extrem staubig. Ich rutsche zweimal aus aber nix passiert. Zum Glück, denn ich konnte mir grad gar nicht vorstellen, wie ich mit einer Verletzung weiter gekommen wäre. Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir wieder das Basiscamp auf 4700 m. Wir dürfen uns eine Stunde ausruhen. Ziemlich kaputt und stinkend legen wir uns hin und schlafen sofort ein. Halb elf werden wir mit einer Suppe geweckt. Keine Ahnung mehr, wie sie geschmeckt hat. Der Appetit hatte sich von uns verabschiedet. Danach geht es auf den Marsch zurück zur Horombo Hut auf 3700 m. Also nochmals neun Kilometer Marsch. Aber stolz wie Bolle, denn wir haben es ja geschafft. Wir haben uns dann als "Heimkehrer" entschieden, den "Aufsteigern" Good luck zu wünschen, denn neben dem eisernen Willen durchzuhalten und einem gut motivierenden Guide braucht es wohl auch das. Den Gruss "Enjoy" verkneifen wir uns lieber, denn wirklich Genuss war es nur für die kurze Zeit des stolzen Rundumblicks. Aber es war dann schon ein cooles Gefühl als "Sieger" zurück zu kommen.
Im Camp sollten wir uns dann die Hütte mit einer jungen Frau teilen. Also wir waren schon drin und dann kam sie dazu. Sie war gerade beim Aufstieg. Allerdings hat sie mein Natur-Deo  wohl nicht vertragen. Obwohl ich ihr sagte, dass wir von oben kommen und wegen der aparten hygienischen Bedingungen wie die Puma's riechen, suchte sie ziemlich schnell das Weite und liess sich woanders einquartieren. Hihi. Für uns war das doch ein sehr einfacher Weg, die Hütte für uns zu haben, um uns erholen zu können.
Nach einer "ausgiebigen Wäsche" mit zwei Litern warmen Wasser für jeden und einer flüchtigen Staubentfernung gab es noch ein feines Nachtessen. Reis mit der Sosse, die es zu allem anderen auch gab. Aber wir waren zufrieden und happy.
Um die Kälte in der Hütte einigermassen fern zu halten, stellten wir eine der Matratzen an die praktisch frei hängende Tür. Die war wohl auch nur eingebaut, um ein Schloss dran hängen zu können.
18 Uhr waren wir in unsere Schlafsäcke gewickelt und fielen in schweren aber erholsamen Schlaf.

Unsere vierte Etappe auf Google Earth
Leider versagten unsere GPS Uhren gleichzeitig bei etwa 5300 m. Da war es wohl einfach zu kalt. Aber wir waren oben :-) 

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